"Kunst kommt von Können, käme sie von Wollen, würde sie Wulst heißen."
(Beachte die kunstvollen Stabreime auf K und W.)
|
|
Noch etwas häufiger in der eher volkstümlichen Variante: "Kunst kommt von Können, nicht von Wollen, sonst
müsste sie ja Wunst heißen."
|
Dieses Bonmot wird verschiedenen Personen zugeschrieben: Karl Valentin, Karl
Kraus, Max Liebermann, auch Joseph Goebbels. Ich persönlich halte
die meisten davon als Urheber für unwahrscheinlich.
Karl Valentin (Komiker) war zwar für seinen Nonsens-Humor bekannt,
dem zumindest die Variante mit Wunst entspricht. Aber er verkörperte ja
geradezu den Dilletanten, der so lustig ist, weil er versucht, was er nicht
kann. Mit diesem Spruch hätte er sich also herablassend über seine eigene
Lebensrolle gestellt.
Karl Kraus (Schriftsteller und Aphoristiker), fast ebenso oft als Urheber bezeichnet, war zwar
ebenfalls ein begnadeter Sprachkünstler, aber typischerweise bissig und menschenfeindlich.
Max Liebermann (Maler) war zwar Präsident der Berliner Akademie der
Künste und hätte also vielleicht Grund gehabt, sich als anerkannter
Künstler von "Nichtskönnern" abzugrenzen. Er war jedoch betont
tolerant und hätte sich damit als Jude vor allem gegen Experimente
jüdischer Kollegen gestellt. Sein bekanntestes Zitat zeigt eine
andere Persönlichkeit: "Ick kann jar nich soville fressen, wie ich
kotzen möchte." (beim Anblick des Fackelzugs zu Adolf Hitlers Machtübernahme in Berlin)
|
|
Joseph Goebbels (Propagandaminister)
schließlich hatte als Leiter der Reichskulturkammer nicht nur Motivation,
sondern die Macht, zu definieren, was Kunst ist und was nicht. Auch der
Stabreim auf K und W weist auf germanische Tradition hin. Aber ein Spruch wie dieser erzeugt
garantiert eine Halle voll tosendem Lachen; Lachen baut Aggressionen ab; und
daran kann jemand nicht interessiert sein, der gerade Aggressionen gegen
sogenannte "entartete Kunst" erzeugen will.
Ich kann mir
allenfalls vorstellen, dass Goebbels diesen Satz vor den Künstlern der
Reichskulturkammer sagte, um sich selbst als kreativ darzustellen und den
"anständigen" Künstlern ein Argument gegen die nicht
gleichgeschalteten Kollegen zu geben.Alles in allem halte ich es für am wahrscheinlichsten,
dass dieser Aphorismus älter ist, mehrfach verfeinert wurde und in der
Zwischenkriegszeit bereits so bekannt war, dass auch Prominente ihn
benützten.
Generell neigt das Publikum dazu, gute Sprüche bekannten
Persönlichkeiten zuzusprechen, in der laienhaften Annahme, man müsse
erfolgreich sein, um etwas so elegant formulieren zu können. Nach meiner
Erfahrung ist die Masse der Unbekannten in der Summe viel kreativer als die
paar herausragenden Künstler (siehe z.B. WC-Sprüche oder das Internet).
Aber ein Künstler kann eben so eine Formulierung zu einem bekannten
Bonmot werden lassen, während der eigentliche Urheber anonym bleiben muss.
|